Depression bei Jugendlichen: Ein wachsendes Problem in unserer Gesellschaft?

In den letzten Jahren häufen sich Schlagzeilen wie „Immer mehr Menschen leiden an Depressionen“, und besonders Jugendliche sind zunehmend betroffen. Die Gründe dafür erscheinen zunächst logisch: In einer Welt, die von globalen Krisen, sozialem Druck und Unsicherheit geprägt ist, geraten besonders junge Menschen oft an ihre psychischen Grenzen. Doch ist dies die ganze Wahrheit? In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Ursachen, Erscheinungsformen und den Einfluss der modernen Gesellschaft auf Depressionen bei Jugendlichen.

Was ist eine Depression?

Der Begriff „Depression“ wird oft im Alltag verwendet, um schlechte Laune oder temporäre Niedergeschlagenheit zu beschreiben. Dabei ist eine Depression eine ernsthafte Erkrankung, die weit über vorübergehende Stimmungsschwankungen hinausgeht. Depressive Menschen leiden unter tiefer Traurigkeit, Antriebslosigkeit und einer inneren Leere, die das Leben stark beeinträchtigen kann. Typische Symptome umfassen:

  • Verlust von Freude an Aktivitäten, die früher Spaß gemacht haben.
  • Antriebslosigkeit und Müdigkeit.
  • Negative Selbstwahrnehmung, wie vermindertes Selbstwertgefühl oder Schuldgefühle.
  • Schlaf- und Appetitstörungen.
  • Gedanken an den Tod oder Selbstmordgedanken.

Laut dem Diplompsychologen Stefan Lüttge, der an der Universität Greifswald zu Depressionen bei Kindern und Jugendlichen forscht, kann eine Depression diagnostiziert werden, wenn mindestens zwei Hauptsymptome sowie mindestens zwei Nebensymptome über mehr als zwei Wochen hinweg auftreten.

Ursachen der Depression bei Jugendlichen

Die Ursachen von Depressionen sind vielschichtig und oft schwer zu erfassen. Wissenschaftler haben lange angenommen, dass ein genetischer Serotoninmangel eine wesentliche Ursache sei. Heute weiß man jedoch, dass Depressionen durch ein komplexes Zusammenspiel genetischer, körperlicher und sozialer Faktoren entstehen.

Genetische und biologische Faktoren

Kinder, deren Eltern an Depressionen leiden, haben ein erhöhtes Risiko, selbst eine Depression zu entwickeln. Jedoch bedeutet dies nicht, dass ein genetisches „Depressionsgen“ existiert – es ist weitaus komplizierter. Auch körperliche Krankheiten wie Hormonstörungen, Herzerkrankungen oder Übergewicht erhöhen das Risiko für Depressionen. Menschen mit Typ-2-Diabetes beispielsweise haben ein doppelt so hohes Risiko, an Depressionen zu erkranken.

Soziale und psychische Belastungen

Jugendliche sind heute einer Vielzahl von Belastungen ausgesetzt, die Depressionen fördern können. Dazu gehören:

  • Familienkonflikte und Armut.
  • Fehlende soziale Unterstützung und Mobbing.
  • Traumatische Erlebnisse wie Missbrauch oder der Verlust eines Elternteils.
  • Soziale Medien, die durch idealisierte Darstellungen und Filterblasen Druck erzeugen. Studien zeigen, dass besonders Instagram das Selbstbild junger Frauen stark beeinträchtigen kann.

Die moderne Gesellschaft bietet Jugendlichen viele Möglichkeiten, was die Entscheidungen für die Zukunft jedoch komplizierter macht und Existenzängste hervorrufen kann. Auch die veränderten sozialen Strukturen durch die Pandemie und die damit einhergehenden Lockdowns haben sich negativ auf die Psyche vieler junger Menschen ausgewirkt.

Wie viele Jugendliche sind betroffen?

Das Robert Koch-Institut (RKI) schätzt, dass etwa 3 bis 9 % der deutschen Kinder und Jugendlichen an Depressionen leiden. Stefan Lüttge zufolge gibt es derzeit zwischen 450.000 und 500.000 betroffene Kinder und Jugendliche in Deutschland. Depressionen sind heute die häufigste Ursache für Krankenhausaufenthalte von Jugendlichen im Alter zwischen 10 und 17 Jahren.

Sind die Zahlen gestiegen?

Eine zentrale Frage lautet: Werden Jugendliche immer häufiger depressiv? Tatsächlich zeigt sich ein Anstieg der Depressionen unter Jugendlichen in den letzten Jahren, insbesondere während der Corona-Pandemie. Während des ersten Lockdowns in Deutschland hatten etwa 25 % der Jugendlichen Anzeichen einer Depression. Die psychischen Auffälligkeiten haben sich während dieser Zeit fast verdoppelt.

Doch wie sah die Situation vor der Pandemie aus? Schon 2019 wurden 18.000 Jugendliche aufgrund von Depressionen im Krankenhaus behandelt, eine Zahl, die seit der Jahrtausendwende stark angestiegen ist. Auch wenn dieser Anstieg auf die verbesserten Diagnosemöglichkeiten und das gestiegene Bewusstsein für psychische Erkrankungen zurückzuführen sein könnte, bleibt die Frage, ob sich die psychische Belastung bei Jugendlichen tatsächlich erhöht hat.

Warum Depressionen oft unerkannt bleiben

Depressionen werden bei Jugendlichen häufig nicht erkannt. Besonders Jungen neigen dazu, ihre Probleme nicht offen zu kommunizieren, und zeigen stattdessen Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressivität. Auch das Stigma rund um psychische Erkrankungen spielt eine Rolle, obwohl das Bewusstsein für diese Problematik in den letzten Jahren gestiegen ist. Viele Jugendliche trauen sich nicht, professionelle Hilfe zu suchen, und bleiben somit ohne Behandlung.

Unterstützungsmöglichkeiten für betroffene Jugendliche

Werden Depressionen frühzeitig erkannt und behandelt, sind die Chancen auf Heilung hoch, insbesondere im Kindes- und Jugendalter. Jugendliche, die bei sich oder im Freundeskreis Anzeichen einer Depression bemerken, sollten sich daher nicht scheuen, mit jemandem darüber zu sprechen – sei es mit einem Elternteil, einem Lehrer oder einer anonymen Beratungsstelle.

Es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote, die Jugendlichen in solchen Zeiten helfen können:

  • Telefonseelsorge: Hier können sich Jugendliche anonym und kostenfrei beraten lassen.
  • Nummer gegen Kummer: Eine weitere Anlaufstelle für vertrauliche Gespräche.
  • Online-Plattformen wie „Fideo“ und „Ich bin alles“, auf denen Jugendliche mehr über Depressionen erfahren und sich mit anderen Betroffenen austauschen können.

Prävention: Was schützt Jugendliche vor Depressionen?

Präventive Maßnahmen können dabei helfen, das Risiko für Depressionen zu verringern. Sportliche Aktivitäten, ehrenamtliche Tätigkeiten und ein stabiles soziales Umfeld haben sich als besonders wirksam erwiesen. Diese Aktivitäten fördern das Gefühl von Zugehörigkeit und Selbstwert und können somit einen schützenden Effekt auf die Psyche ausüben.

Fazit: Depression bei Jugendlichen – Ein wachsendes gesellschaftliches Problem?

Es ist unklar, ob Jugendliche in Deutschland tatsächlich häufiger an Depressionen erkranken als früher oder ob nur mehr Diagnosen gestellt werden. Fest steht jedoch, dass Depressionen ein ernstes und weit verbreitetes Problem darstellen. Die steigende Zahl betroffener Jugendlicher zeigt den Bedarf an einer besseren Versorgungsinfrastruktur, damit lange Wartezeiten auf Behandlungsplätze vermieden werden.

Jugendliche sollten ermutigt werden, über ihre Gefühle zu sprechen und bei Bedarf professionelle Hilfe zu suchen. Je offener unsere Gesellschaft mit psychischen Erkrankungen umgeht, desto besser können wir betroffenen Jugendlichen die notwendige Unterstützung bieten.

In Österreich gibt es mehrere Telefonseelsorge- und Krisennummern, die Menschen in schwierigen Situationen anonym und kostenlos unterstützen:

  1. Telefonseelsorge Österreich (Notruf 142): Rund um die Uhr erreichbar und bietet telefonische, E-Mail- und Chat-Beratung an.
  2. Ö3 Kummernummer (116 123): Erstanlaufstelle für persönliche Notlagen, täglich von 16 bis 24 Uhr kostenfrei erreichbar.
  3. Rat auf Draht (147): Speziell für Kinder und Jugendliche, rund um die Uhr verfügbar.
  4. Frauenhelpline gegen Gewalt (0800 222 555): 24/7 Unterstützung für Frauen in Krisensituationen.
  5. Männernotruf (0800 246 247): Rund um die Uhr für Männer in Krisen- und Gewaltsituationen.
  6. Psychiatrische Notdienste: Je nach Bundesland stehen verschiedene regionale Krisendienste zur Verfügung, wie etwa das „PsyNot“ in der Steiermark unter 0800 44 99 33.

Diese Hotlines und weitere Hilfsangebote finden Sie auch auf Webseiten wie Gesundheit.gv.at und verein-fema.at​​

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